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OZ Stralsund / 03.02.2022

Von Ines Sommer

Die Kleinen gehen aber wieder in den Kindergarten. Das Jugendamt arbeitet inzwischen mit den Eltern an Perspektiven für die Familie.

Kinder in Stralsunder Kita vergessen: Jetzt leben sie in Wohngruppe.

Die Kleinen gehen aber wieder in den Kindergarten. Das Jugendamt arbeitet inzwischen mit den Eltern an Perspektiven für die Familie.

Von Ines Sommer / OZ  Stralsund.

Der Fall hatte Anfang Januar nicht nur in Stralsund für Fassungalosigkeit gesorgt: Eine junge Mutter hatte vergessen, Ihre beiden Kinder aus der Kita abzuholen. Weil die Familie gleich um die Ecke wohnt, brachte die Erzieherin die Kleinen nach Hause. Doch die Mutter sagte: „Das sind nicht meine Kinder. Nehmen Sie die wieder mit!” Wenige Sätze, die an jenem Januarabend gegen 17.30 Uhr einen folgenschweren Einsatz nach sich ziehen. Polizei und Jugendamt werden alarmiert. Und die Erzieherin, die schon ahnt. was den Kindern jetzt bevorsteht, bringt die Kleinen in die Kita zurück. Gemeinsam mit einer Kollegin betreut sie die Geschwister liebevoll, es gibt Abendbrot – und für jeden wird noch etwas Spielzeug eingepackt.

Dreijährige ruft nach ihrer Mama.

Wie geht es den Geschwistern rund einen Monat später? Während der zweigährige Junge nicht so schnell verstanden hatte, was los ist, hatte das dreijährige Mädchen große Angst und wollte zu ihrer Mama. Inzwischen suchte der sozialpãdagogische Dienst des Jugendamtes nach einer passenden Unterkunft für die Geschwister. Sie wurden wegen akuter Kindeswohlgefährdung in Obhut genommen, denn die Sicherheit der Kinder hat in so einem Fall oberste Priorität. Fürs Erste schlafen die Kleinen im Jugendnotdienst. Heute leben die Kinder in einer stationären Ein-richtung des Landkreises Vorpommern-Rügen. „Sie haben sich in der Wohngruppe eingelebt, es geht ihnen den Umständen entsprechend gut”, sagt Falk Ellwitz, Fachdienstleiter des Sozialpädagogischen Dienstes in der Kreisverwaltung Vorpommern-Rügen. Er berichtet, dass man versucht, den Kindern ein gutes Umfeld zu bieten. „Wir haben das mittlerweile mit einem Fahrdienst so organistert, dass die beiden wieder in ihre bisherige Kita geben können.“ Ein Stück Vertrautheit, das den Kindern guttut, aber auch Normalität, die sie brauchen. Da sind sich Jugendamts- und Kita-Erzieher einig. Was sicher nichts daran ändert, dass Bruder und Schwester besonders ihre Mama vermissen, mit der sie bisher gemeinsam in einer Wohnung lebten.

Kinder können nicht einschätzen, was falsch läuft.

„Natürlich hängen auch diese Kinder an ihren Eltern, egal, was sie erlebt haben. Für sie sind das trotzdem ganz wichtige Bezugspersonen. Sie können oftmals doch auch gar nicht einschätzen, was zu Hause falsch läuft“, sagt VSP-Chef Jan Peters. Er ist als Leiter des Kindernotdienstes in Stralsund fast täglich mit solchen Schicksalen konfrontiert. „Wenn Kinder in Obhut genommen werden, geht es einzig und allein darum, dass sie sich erholen, dass sie in Sicherheit und wohlbehütet sind. Sie sollen sich einfach gut fühlen“, so Jan Peters im Gespräch mit der OZ und schiebt hinterher: „Die Kinder müssen erst lernen zu vertrauen. Da muss man mit viel Geduld eine Beziehung aufbauen.”

Drastistischer Schritt für alle Beteiligten

Die Inobhutnahme – das war schon für alle Beteiligten ein drastischer Schritt. Wir sind nun dabei, zu klären, wie es für die Familie weitergehen kann. Das gestaltet sich aber schwierig”, sagt Falk Ellwitz. Ein Problem sei beispielsweise, dass die Eltern getrennt leben. Andererseits hatte sich die 36-jährige Mutter nach dem Vorfall so sehr geschämt, dass es für die Sozialarbeiter schwer war, Zugang zu ihr zu finden. Viele fragen sich nun: Gehen die Geschwister zu ihrer Mutter zurück oder werden sie künftig in einer Pflegefamilie betreut? DieseEntscheidung stehe noch gar nicht, so Falk Ellwitz. „ Natürlich gucken wir in alle Richtungen, prüfen alle möglichen Perspektiven. Aber das geht nur mit den Eltern. Und das ist oft ein langer Weg. Den müssen wir aber gehen, um am Ende wirklich die beste Lösung zu finden.“

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750 Meldungen pro Jahr

750 Meldungen einer möglichen Kindeswohlgefahrdung gehen durchschnittlich pro Jahr beim Landkreis Vorpommern-Rügenein. Betroffen hiervon sind im Schnitt 1350 Kinder und Jugendliche. Nach Prüfung der Meldungen muss dann für fahrlich 650 Kinder und Jugendliche eine sehr detaillierte Gefährdungseinschätzung vorgenommen werden. Im Ergebnis der Gefahrdungseinschatzung wird regelmaßig mindestens ein Hiffe- oder Unterstützungsbedarf ersichtlich. Etwa 75-mal im Jahr muss ein Kind in Obhut genommen werden, weil eine akute Gefährdung besteht.