Ostseezeitung vom 23.07.2025
VON WENKE BÜSSOW-KRAMER / STRALSUND. Inzwischen ist an jeder Stralsunder Schule in kommunaler Trägerschaft ein Schulsozialarbeiter im Einsatz. „Noch vor Jahren dachte man, wenn es einen Schulsozialarbeiter an der Schule gibt, handelt es sich um eine Brennpunktschule. Heute ist es ein Qualitätsmerkmal“, sagt Anja Fock, Schulsozialarbeiterin am Schulzentrum am Sund.
An Stralsunds größter Schule mit über 900 Schülern gibt es sogar zwei Schulsozialarbeiterinnen. Anja Fock und Vivien Müller sind für die Schüler Ansprechpartnerinnen in so ziemlich allen Lebenslagen. „Bei uns gibt es keine Tabus. Die Themen sind so breit aufgestellt – was jeden so bewegt“, weiß Vivien Müller.
Der Arbeitsalltag ist dabei kaum planbar – kein Tag ist wie der andere. Meist stehen zwei bis vier Gesprächstermine im Kalender, rund 80 Prozent der Zeit ließe sich jedoch nicht planen, sagen die beiden Frauen. Wie sie betonen, ist die Kontaktaufnahme mit einer der Sozialpädagoginnen stets freiwillig. „Die Lehrer bringen die Schüler nicht zwangsweise zu uns“, so Anja Fock.
Vielmehr wird den Schülern durch die Lehrer dezent das Angebot unterbreitet, sich mit einer Schulsozialarbeiterin zu unterhalten. Oder die Lehrer kommen mit den Sorgen um einen ihrer Schützlinge auf Anja Fock und Vivien Müller zu, die dann den Kontakt suchen. „Das passiert, wenn etwa ein Kind plötzlich in den schulischen Leistungen absackt oder sich stiller verhält als sonst”, erklärt Anja Fock.
Wichtig sei, dass der Inhalt der Gespräche vertraulich bleibt. Der Schüler entscheidet, ob dann auch der Lehrer über die Probleme informiert werden soll. „Wir sind die Schnittstelle zwischen Schülern, Lehrern, Eltern und Beratungsstellen”, sagt Vivien Müller. Denn die Schulsozialarbeiterinnen können nicht alle Probleme selber lösen.
Dafür können sie auf ein großes Beratungsnetzwerk zurückgreifen, das in Anspruch genommen wird, wenn es beispielsweise um Suchtproblematiken geht. Und in den härtesten Fällen nehmen sie dann auch Kontakt zum Jugendnotdienst auf, wenn Schüler sofort aus der Familie geholt werden sollen.
„Die häufigsten Probleme treten im familiären Umfeld auf. Das ist die Trennung der Eltern oder der Tod der Oma. Die Trennung der Eltern muss man erst mal überstehen; in der Schule soll das Kind aber funktionieren”, erklärt Anja Fock das Dilemma. In den jüngeren Stufen gibt es oft noch Probleme in der Gruppendynamik“, sagt Vivien Müller.
Dabei ist der Einsatz der Schulsozialarbeiterin nicht erst gefragt, wenn die Probleme auftreten. Mit ihrer präventiven Arbeit und Projekten gehen sie in den Klassenstufen in das Training sozialer Kompetenzen, Drogen- und Gewaltprävention, Konfliktmanagement, Mobbing, Mediennutzung oder Soziale Medien. Täglich tauchen die Schulsozialarbeiterinnen in die unterschiedlichsten Probleme der Schüler ein. „Wenn man sieht, wie sie daran gewachsen sind, und mit ihrem Abschluss hier rausgehen – so wie bei der Zeugnisausgabe in der letzten Woche – dann verdrückt man auch mal ein Tränchen. Denn dann haben sie die wichtigste Hürde gemeistert“, sagt Anja Fock.
„Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schulsozialarbeitern ist immens wichtig und konnte in den letzten Jahren immer mehr aufgebaut werden“, sagt Jan Peters, Koordinator beim Verbund für Soziale Projekte (VSP), der am Schulzentrum für die Schulsozialarbeit verantwortlich ist. Finanziert wird diese aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie des Landes und Landkreises. „Schule funktioniert nicht ohne Schulsozialarbeiter”, macht Schulleiter Martin Neutmann deutlich. „Lehrer können nicht auch noch die Bedürfnisse der Kinder auf der zwischenmenschlichen Ebene in der Tiefe und dem Umfang erfüllen. Die Probleme, die nicht unmittelbar Schulprobleme sind, fängt die Schulsozialarbeit wunderbar auf.“