Soziale Gruppenarbeit

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Soziale Gruppenarbeit für Kinder und Jugendliche psychisch instabiler Eltern gemäss § 27 i.V.m. § 29 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe)

Spezielle Problemlage

Kinder und Jugendliche psychisch instabiler Eltern leben häufig unter besonderen psychischen Belastungen. Diese kann man auf der Wirkungsseite nach direkten und indirekten Auswirkungen unterscheiden.

Direkte Auswirkungen: Die Eltern reagieren in alltäglichen Erziehungs- und Anforderungssituationen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oft verzögert und sind mit Alltäglichkeiten teilweise überfordert. Dadurch sind die Interaktionen zwischen den Eltern und den Kindern und Jugendlichen, den Eltern und der Umwelt sowie zwischen den jungen Menschen und der Umwelt oft gestört und führen zu problematischen Situationen. So kann die Beziehung zwischen den Eltern und den Kindern und Jugendlichen unter mangelnder Emotionalität bzw. Kommunikation leiden. Mitunter ist sogar die ordinäre Versorgung nicht kontinuierlich gesichert, wenn diese Eltern eine starke Symptomatik aufweisen bzw. sich in einer kritischen Phase der Erkrankung befinden.

Indirekte Auswirkungen: Durch die gestörte Eltern-Kind Beziehung kann es zu entsprechenden Reaktionen der Kinder und Jugendlichen kommen. Diese erfahren innerhalb ihres Sozialisationssystems Abwertungserlebnisse, bspw. durch die nicht adäquate Reaktion der Eltern auf alltägliche Problemsituationen. Eine Folge dieser Abwertungserlebnisse kann z.B. die Distanzierung der Kinder gegenüber ihren Eltern aufgrund von Schamgefühl oder Nichtakzeptanz sein. Dadurch wiederum befinden sich die Kinder und Jugendlichen im Loyalitätskonflikt zwischen Familie und Milieu. Zusätzlich kommt es in bestimmten Situationen zu Verantwortungs- und Rollenverschiebungen. Kinder dieser Eltern müssen teilweise Verantwortungen übernehmen, die sie aufgrund ihrer kognitiven und emotionalen Reife überhaupt noch nicht tragen können.

Kinder und Jugendliche, die unter diesen Bedingungen aufwachsen müssen, können mit folgendem offenen, mitunter sehr ambivalentem Verhalten reagieren:

  • Ziehen sich zurück, sind Einzelgänger;
  • Zeigen aggressives Verhalten;
  • Verhalten sich entweder distanzlos oder extrem eingeschüchtert;
  • Zeigen eine depressive Symptomatik;
  • Sind extrem auf ihre eigene Familie fixiert oder sind besonders häufig abgängig.

Aus der Arbeit des Trägers in den letzten Jahren kann beobachtend festgestellt werden, dass die Zahl der psychisch instabilen (Ein-)Elternsysteme angestiegen ist. Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Problemlagen und der gemeinsam mit dem Jugendamt der Hansestadt erkannten Bedarfslage und der Erkenntnis, dass daraus teilweise unabsehbare Integrationsschwierigkeiten mit langwierigen und kostenintensiven Hilfeprozessen entstehen können, hat sich der Verbund für Soziale Projekte e.V entschlossen, das nachfolgende Leistungsangebot zu entwickeln.

Lage und Räumlichkeiten des Leistungsangebots

Die soziale Gruppenarbeit wird in separaten Räumlichkeiten angeboten. Die Räumlichkeiten werden durch eine altergerechte Ausstattung gekennzeichnet sein. Ein Sanitärbereich ist ebenfalls getrennt verfügbar.

Zielgruppe des Leistungsangebots

as Betreuungsangebot richtet sich in der Regel an Mädchen und Jungen im Alter von 10 - 14 Jahren, deren Eltern bzw. ein Elternteil psychisch instabil sind. Die Gruppengröße ist auf 6 Kinder begrenzt, wobei in Ablösephasen bereits ein 7. Kind oder Jugendliche raufgenommen werden kann. Geschwisterkinder sollten in der Regel nicht gemeinsam in einer Gruppe betreut werden, da familiäre Dynamiken übertragen werden könnten. Nebeneinander können bis zu max. 3 Gruppen arbeiten.

Ziel des Leistungsangebots

Globales Ziel ist es, eine stationäre Unterbringung in einer Jugendhilfemaßnahme zu vermeiden und somit den Verbleib in der Familie und den Erhalt des Familiensystems zu sichern. Im Vordergrund steht weiterhin die Entlastung insbesondere der Kinder. Durch erlebnis-, themen- und handlungsorientierte Arbeitsansätze sollen die Integrationsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen in soziale Bezüge und Zusammenhänge erhöht werden. Dabei können u.a. folgende Einzelziele im Vordergrund stehen:

  • Einüben / Trainieren von Handlungsstrategien zur Aufnahme und zum Erhalt sozialer Kontakte;
  • Stabilisierung der Fremd- und Selbstwahrnehmung;
  • Steigerung des Selbstwertgefühls;
  • Förderung emphatischer Fähigkeiten vor dem Hintergrund von Krankheitsbildern;
  • Altersgerechte Wissensvermittlung über Krankheitsbilder;
  • Abbau von Vorurteilen;
  • Entwicklung sozial adäquater Konfliktlösungsstrategien;
  • Einüben alltagspraktischer Fähigkeiten;
  • Stärkung der Schulmotivation;
  • Kennenlernen sinnvoller Freizeitmöglichkeiten.

Weiterführend soll die Eltern-Kind-Beziehung entspannt werden, um Kommunikationsprozesse neu gestalten zu können.

Charakteristische Gestaltungsmerkmale

Diese Betreuungsform stellt ein ambulantes, gruppenorientiertes vor allem aber ein flexibles Hilfeangebot dar, welches aufgrund einzelner Bedarfslagen mit unterschiedlichen Betreuungsintensitäten schnell veränderbar ist. Dieses Leistungsangebot ist sowohl familienergänzend als auch familienunterstützend angelegt. Die Arbeitsweise ist sowohl durch eine Komm- als auch durch eine Geh-Struktur gekennzeichnet. Das bedeutet, dass insbesondere die Kinder und Jugendlichen das Betreuungsangebot aufsuchen. Ein Teil der Elternarbeit wird als Geh-Struktur gestaltet, um Lebensweltbezüge der jungen Menschen kennenzulernen und in die Arbeit miteinfließen zu lassen. Das Angebot ist ein mittelfristiges Leistungsangebot für die Dauer von 1 bis 2 Jahren. Wöchentlich stehen der Gruppe 9,5 Fachleistungsstunden (incl. Vor- und Nachbereitungszeit) zur Verfügung. Die direkte Kontaktzeit beträgt 6 Stunden wöchentlich. Diese werden in der Regel auf 2 fest vereinbarte Treffen der Gruppe aufgeteilt sowie ein zusätzliches, flexibel gestaltetes Treffen. Dadurch kann auf größere Gruppenaktivitäten sowie auf unterschiedliche Bedarfe flexibel reagiert werden. Die Elternarbeit wird bei diesem Leistungsangebot als flankierendes Element betrachtet. Angeboten werden in regelmäßigen Abständen themenzentrierte Elternabende sowie in regelmäßigen größeren Abständen Hausbesuche.

Leistungsinhalte und Ausgestaltungselemente

Grundvoraussetzung für dieses Hilfeangebot ist die Freiwilligkeit und die Bereitschaft zur Mitarbeit der Kinder, Jugendlichen und deren Eltern. Inhaltlich wird die Arbeit mit den jungen Menschen auf 3 Ebenen mit verschiedenen Schwerpunkten gestaltet:

Erlebnisorientiert

  • Schaffung positiver Erlebnisse zur Selbstwertgefühlsteigerung;
  • Erleben verschiedener Freizeitmöglichkeiten;
  • Ausleben kindlicher Bedürfnisse als Kompensation;
  • Erlernen sozial angepasster Verhaltensweisen über spielerische Prozesse;
  • Aufbau von Kontakten zu Gleichaltrigen über Rollen- und Interaktionsspiele;
  • Bei Bedarf Training sensomotorischer Fähigkeiten über verschiedene Spielzeuge und heilpädagogische Materialien;
  • Einsatz bewegungstherapeutischer Elemente in Form von Wett- und Sportspielen.

Themenorientiert

  • Altersgerechte Vermittlung von Wissen über psychische Krankheiten durch Gruppengespräche, Bücher und weitere Medien;
  • Kennenlernen gesundheitsbewusster Verhaltensweisen über Rollenspiele, und Regelspiele;
  • Schulische Förderung durch Einzelarbeit und Interaktionsspiele.

Handlungsorientiert

  • Erlernen alltagspraktischer Fähigkeiten über eine angenehme Gestaltung des Gruppenlebens;
  • Kreativitäts- und Ausdrucksförderung über Arbeit mit Ton, anderen Naturmaterialien, Malen, Seidenmalerei, Kreatives Bauen, Stehgreifspiele;
  • Training von Konfliktlösungsstrategien über Gruppenprozesse, Interaktions- und Rollenspiele.

Die Psychologin wird für die Bezugsbetreuer regelmäßig beratend in Bezug auf die Spezifik der Klientel tätig. Dafür stehen monatlich 3 Fachleistungsstunden zur Verfügung. Bei Bedarf ist die weitere Nutzung vorhandener Ressourcen bezüglich des Fachpersonals möglich. So können bspw. durch die Beratungsstelleneinheit des Trägers Intelligenz- und Persönlichkeitsdiagnostiken erstellt werden.

Die Arbeit mit den Eltern beinhaltet folgende Themengebiete:

  • Vermittlung von Wissen über psychische Krankheiten;
  • Aufzeigen von hilfeleistenden Instanzen und Ansprechbarkeiten;
  • Beratung in Fragen der Erziehung, Kindesentwicklung und alterspezifischen Problemlagen, schulischen Entwicklung;
  • Vermittlung an weiterführende Hilfesysteme.

Die themenzentrierten Elternabende werden vorrangig von der Psychologin mit Begleitung durch die BezugsbetreuerInnen durchgeführt. Hierzu stehen monatlich 3 Fachleistungsstunden der Psychologin zur Verfügung.

Personal

Die Betreuung dieses Leistungsangebotes wird von einem/r Mitarbeiter der Jugendhilfestation Stralsund als BezugsbetreuerIn geleistet. Diese MitarbeiterInnen verfügen über eine pädagogische Grundqualifikation (mind. Erzieherausbildung, Dipl.-Pädagogin, Dipl.-Sozialpädagogin) mit bewegungstherapeutischer Zusatzqualifikation für Psychosomatik und Sucht. Mit einem geringen Stundenanteil steht die Psychologin der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Trägers zur Verfügung.

Qualitätssicherung

Methodisch kontrollieren wir unsere Prozesse mit dem Einsatz des EME – Verfahrens. Das heißt, dass mit Beginn der Hilfe ein Erhebungsbogen mit allen am Hilfeplan Beteiligten angefertigt wird. In diesem wird der Hilfebedarf in einzelnen Bereichen festgeschrieben und sich daraus ergebende Ziele formuliert. Monatlich fertigen die Betreuerinnen einen Maßnahmebogen an, in dem Ziele, angewandte Methoden, Beobachtungen und Veränderungen und ggf. Perspektiven in der Betreuung bzw. zur Veränderung der Zielsetzung formuliert werden. In den regelmäßig stattfindenden Fach – und Hilfeplangesprächen werden Betreuungsverlauf und Zielsetzungen dem aktuellen Bedarf angepasst.

Neben diesen im Hilfeplanverfahren festgelegten Standards besteht zwischen der/m Mitarbeiter/in im Jugendamt und des/r betreuenden Mitarbeiter/in kurze Informationswege, so dass kurzfristig auf sich verändernde Bedarfe reagiert werden kann. Innerhalb der Jugendhilfestation dokumentieren die BetreuerInnen regelmäßig den Hilfeverlauf an Hand der persönlichen Aufzeichnungen (Falldokumentation), die Grundlage der EME – Bögen sind. Weitere interne Methoden der Qualitätssicherung sind regelmäßig stattfindende Fallbesprechungen. Supervisionen werden in Einzel- oder Gruppenveranstaltungen durchgeführt.

Ergebnisqualität

Folgende Ergebnisse können beispielsweise erreicht werden:

  • Verbleib des jungen Menschen im familiären System;
  • Schaffung tragbarer Erziehungsbedingungen für die Kinder und Jugendlichen;
  • Entlastung der Kinder und Jugendlichen;
  • Integration in existierende (Selbst)Hilfesysteme;
  • Selbständiges und sicheres Bewältigen von Alltagsangelegenheiten;
  • Nutzen von neu erworbenen Problemlösungsstrategien;
  • Realistische Selbsteinschätzung der eigenen Stärken und Schwächen;
  • Gesteigertes Selbstwertgefühl und gesteigerte Entscheidungsfähigkeit;
  • Gestärkte Eigenverantwortlichkeit und erweitertes Selbsthilfepotential;
  • Zufriedenheit mit dem Ergebnis der entgegengebrachten Hilfeleistung.

Die Ergebnisse werden durch den Einsatz des Evaluationsbogens überprüft und dokumentiert.

Finanzierungskonzept

Die Kosten für das Leistungsangebot setzen sich einerseits aus der Fachleistungsstunde und andererseits aus den Pauschalkosten für Raummiete, therapeutischem Bedarf und Projektkosten zusammen. In der Verwaltungspraxis wird die Abrechnungsmethode der Fachleistungsstunde so umgesetzt, dass mit der Rechnungsaufstellung eine Vergleichbarkeit auch mit anderen Finanzierungsformen gewährleistet ist. Ein veränderter Stundenbedarf kann individuell nach Notwendigkeit (z.B. zusätzliche Einzelbetreuung) festgelegt werden.